Frau Dr. Seling, der Sommer steht bevor, das Thema Klimawandel wird für viele Menschen wieder sichtbarer. Frage an Sie als Hauptgeschäftsführerin der AGDW – Die Waldeigentümer: Wie ist es um den Zustand unserer Wälder bestellt?
Die Zahlen aus dem aktuellen Waldzustandsbericht geben leider keine Entwarnung. Im Gegenteil, die Herausforderungen, die der Klimawandel für den Wald bringt, bleiben bestehen und verschärfen sich sogar. Vier von fünf Bäumen sind krank. 35 % der Bäume sind sogar deutlich geschädigt, wobei es hier deutliche regionale Unterschiede gibt. In NRW ist bereits bei 38 %, in Sachsen-Anhalt bei 39 % und in Thüringen bei sogar 50 % der Bäume eine starke Schädigung zu konstatieren.
In den vergangenen Monaten gab es gefühlt ausreichend Niederschläge. Hat das die Situation mit Blick auf trockene und heiße Phasen für die Wälder entschärft?
Auch wenn es zuletzt erfreulicherweise deutlich mehr geregnet hat, hat der Wald über große Zeiträume gesehen in erster Linie mit langen Trockenheitsphasen und in der Folge mit Schädlingsbefall, d.h. vor allem dem Borkenkäfer, zu kämpfen. Hinzu kommen Stürme im Winter und Frühjahr sowie Waldbrände in trockenen Sommern.
Immer wieder ist der Ruf nach „klimaresilienteren Wäldern“ zu hören. Was verbirgt sich dahinter und wie kann der dafür nötige Waldumbau gelingen?
Die Daten und Prognosen zeigen, dass die Klimaerwärmung rapider voranschreitet als bisher angenommen. Das bedeutet, wir müssen auch den Waldumbau hin zu klimastabilen Beständen noch schneller als bisher vorantreiben. Der Zukunft gehören Mischwälder mit Nadel- und Laubbäumen, die gut mit dem Klimawandel zurechtkommen. Im Sinne der Vielfalt und der Zukunft unserer Wälder werben wir deshalb für mehr Akzeptanz bei der Einführung nicht heimischer standortgerechter Baumarten, die selbstverständlich nicht invasiv sein dürfen. Um die Mammutgabe eines zügigen Waldumbaus zu schaffen, brauchen die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in Deutschland Unterstützung aus der Politik, nicht nur in Form von geeigneten Förderprogrammen für den klimastabilen Waldumbau, sondern durch einen geeigneten gesetzlichen Rahmens für eine nachhaltige Forstwirtschaft. Das geltende Bundeswaldgesetz steht dafür. Keine Regelung des geltenden Bundeswaldgesetzes behindert die Wiederaufforstung von geschädigten Flächen, den Waldumbau, die Entwicklung klimaresilienter Wälder, die Förderung der Biodiversität, den Schutz gefährdeter Arten oder die dringend notwendige Bindung von Kohlenstoff.
Aktuell wird auch über ein neues Bundeswaldgesetz diskutiert. Wie würde sich der bisherige Entwurf auf den Wald als Klimaschützer auswirken?
Ein neues Bundeswaldgesetz, so im Koalitionsvertrag angedacht und mit vielen Regulierungen und Verboten im geleakten Entwurf vorliegend, wird bei der Anpassung der Wälder an den Klimawandel in keiner Weise helfen. Waldpflege und Holzverwendung dürfen nicht weiter eingeschränkt werden. Statt mehr und mehr Auflagen brauchen wir Freiheit und Flexibilität bei der Bewirtschaftung unserer vielfältigen Wälder und das klare Bekenntnis zum Schutz des Eigentums. Nur so können wir den Klimafolgen im Wald adäquat begegnen und mit aktiver Bewirtschaftung unseren Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten. Wir lehnen ein Bundeswaldgesetz ab, das eine aktive Klimaanpassung und die Pflege der Wälder ausbremst, statt fördert.